Schaltjahre und Kalender

Gewöhnlich wird der 1. Januar als der Beginn eines neuen Jahres gesehen. Das ist jedoch eine reine Konvention. Es gibt keinerlei mathematische oder astronomische Gründe, warum das Jahr am 1. Januar beginnen muß. Man könnte genauso gut jeden anderen Tag als Beginn des Jahres festlegen. Andere Kulturen (Juden, Moslems, Chinesen, Japaner) feiern tatsächlich den Jahresbeginn an ganz anderen Tagen oder sogar zu unterschiedlichen Terminen, die jedes Jahr wechseln. Nur im westlichen Kulturkreis gilt der 1. Januar als Jahresbeginn. Das ist jedoch einfach eine willkürliche Festlegung, die auf die Römer zurückgeht.

erdbahnEin Jahr ist die Zeit, die die Erde für eine Umkreisung der Sonne benötigt. Wie lange eine solche Umkreisung dauert, ist keineswegs eindeutig. Je nach der verwendeten Meßmethode unterscheidet man drei verschiedene Jahreslängen:

  • Das tropische Jahr: Die Zeit zwischen zwei Durchgängen der Sonne durch den Frühlingspunkt, also die Zeit von einem Frühlingsbeginn bis zum nächsten. Das tropische Jahr dauert 365 Tage, 5 Stunden, 48 Minuten und 45,2 Sekunden.
  • Das siderische Jahr: Die Zeit zwischen zwei Passagen der Sonne an einem bestimmten Fixstern vorbei. Das siderische Jahr dauert 365 Tage, 6 Stunden, 9 Minuten und 10 Sekunden. Es ist also ca. 21 Minuten länger als das tropische. Der Grund ist die Präzession der Erdachse. Sie bewirkt, daß sich der Frühlingspunkt rückläufig durch den Tierkreis bewegt, er kommt der Sonne also sozusagen jedes Jahr ein Stück entgegen.
  • Das anomalistische Jahr: Die Zeit zwischen zwei Periheldurchgängen der Erde, d.h. zwischen zwei größten Annäherungen an die Sonne. Das anomalistische Jahr dauert 365 Tage, 6 Stunden, 13 Minuten und 53 Sekunden. Es ist länger als das siderische, weil das Erdbahnperihel jedes Jahr ein Stück auf der Erdbahn weiterwandert.

Für uns relevant ist das tropische Jahr, da es mit den Jahreszeiten übereinstimmt. Allerdings ist das tropische Jahr fast (nicht ganz) genau 1/4 Tag länger als 365 Tage (s.o.). Die Jahreslänge deckt sich also nicht genau mit einer „glatten“ Anzahl an Tagen, sondern dauert noch einige Stunden länger. Die Jahreslänge ist kein ganzzahliges Vielfaches der Tageslänge!

Für die Aufstellung von im Alltag brauchbaren Kalendern hat das seit dem Altertum enorme Schwierigkeiten verursacht. Viele Kulturen wie z.B. Ägypter, Sumerer und Babylonier versuchten der Problematik Herr zu werden, indem sie die Länge des Jahres variierten, allerdings mehr oder weniger willkürlich. Andere, wie die Juden und später die Moslems, gingen ihr ganz aus dem Weg und richteten sich statt dessen nach dem Mond.

Man kann auf jeden Fall die Länge eines Jahres nicht einfach auf 365 Tage festlegen und es dabei belassen. Zur Veranschaulichung: Das erste Jahr beginnt genau um 0 Uhr am 1. Januar. Im folgenden Jahr fällt der Jahresbeginn jedoch am 1. Januar auf ca. 6h morgens, im nächsten auf 12h mittags, und im dritten Jahr auf 18h. Ab dem 4. Jahr beginnt das neue Jahr dann erst am 2. Januar. Nach wenigen Jahrzehnten schon würde das Datum überhaupt nicht mehr mit der Jahreszeit zusammenpassen – Weihnachten würde in den Herbst fallen und Ostern mitten in den Winter.

Die alten Ägypter fanden schließlich einen Ausweg aus dieser Lage: Sie legten die Länge des normalen Jahres auf 365 Tage fest, jedes vierte Jahr jedoch hatte einen zusätzlichen Tag, den Schalttag. Damit wird der oben beschriebene Fehler aufgehoben, weil 4 tropische Jahre nach dem oben Gesagten fast genau 1 Tag länger sind als 4 Kalenderjahre zu 365 Tagen (4 x 365 = 1460). Mit dieser Methode konnten die Ägypter mit hoher Zuverlässigkeit den jährlichen Beginn der Nilüberschwemmung vorhersagen.

caesarNachdem Gaius Julius Cäsar Ägypten erobert und Kleopatra zu seiner Geliebten gemacht hatte, erkannte er die Vorteile dieses Kalendersystems und führte es nach seiner Rückkehr auch im römischen Imperium ein. Das war vor allem ein politischer Schachzug, weil bis zur Zeit Cäsars die Zeitmessung als Machtinstrument mißbraucht wurde.

In der römischen Republik, die bis zur Zeit Cäsars andauerte, herrschten immer 2 gewählte Konsuln für den Zeitraum eines Jahres. Weil dieses Amt für die Konsuln wegen des damit verbundenen Rechts zur Steuereintreibung finanziell recht einträglich war, versuchten diese, durch willkürliche Einführung von Schalttagen oder sogar ganzen Schaltmonaten ihre Amtszeiten zu verlängern. Dadurch kam schließlich die offizielle Geschichtsschreibung durcheinander.

Cäsar beseitigte die Republik, machte sich zum Alleinherrscher und regelte die Zeitmessung durch Einführung der ägyptischen Schaltmethode neu. Den Jahresbeginn legte er auf den ersten Januar fest. Man nennt diesen Kalender bis heute zu Ehren Cäsars den julianischen Kalender.

Julianischer Kalender:

  1. Das normale oder „gemeine“ Jahr hat 365 Tage.
  2. Jedes 4. Jahr ist ein Schaltjahr und hat 366 Tage.

Es bleibt jedoch ein Problem, denn die Schaltregel im julianischen Kalender ist eben nicht ganz korrekt: Das tropische Jahr hat 5 Stunden, 48 Minuten und 45,2 Sekunden mehr als 365 Tage, das ist fast, aber nicht ganz ¼ Tag. In 4 Jahren addiert sich dieser Unterschied auf 23 Stunden und 15 Minuten, also 45 Minuten weniger als ein ganzer Tag. Das bedeutet, daß die Schaltregel im julianischen Kalender „zu viel des Guten“ tut: Pro Schaltjahr werden 45 Minuten zu viel eingefügt!

Lange Zeit wurde das nicht bemerkt bzw. für unwichtig gehalten. Der julianische Kalender blieb in Kraft, auch nachdem das Römerreich längst nicht mehr existierte. Die katholische Kirche wachte weiterhin über seine Einhaltung.

Zur Zeit der Renaissance, genauer im Jahre 1582, hatte man durch die Anwendung der julianischen Schaltregel schon zehn Tage zuviel „geschaltet“, und die Abweichung des Datums von den Jahreszeiten wurde merkbar. Die Kirche begann sich zu sorgen, daß Ostern bald im Hochsommer liegen würde und begriff die Notwendigkeit einer Korrektur.

gregorPapst Gregor XIII setzte dann im Jahre 1582 einen neuen Kalender in Kraft, der bis heute gültig ist und zu seinen Ehren „gregorianischer Kalender“ genannt wird. Er ist dem julianischen ähnlich, allerdings wurde die Schaltregel modifiziert.

Gregorianischer Kalender:

  1. Das „gemeine“ Jahr hat 365 Tage.
  2. Jedes Jahr, dessen Jahreszahl ohne Rest durch 4 teilbar ist, ist ein Schaltjahr und hat 366 Tage.
  3. Jedes Jahr, dessen Jahreszahl ohne Rest durch 100 teilbar ist, also jedes volle Jahrhundert, ist ausnahmsweise kein Schaltjahr, obwohl seine Jahreszahl durch 4 teilbar ist und es nach der zweiten Regel eigentlich ein Schaltjahr sein sollte.
  4. Jedes Jahr, dessen Jahreszahl ohne Rest durch 400 teilbar ist, ist ein Schaltjahr, obwohl es ein volles Jahrhundert ist und es daher nach der dritten Regel keines sein dürfte. Es ist also eine „Ausnahme von der Ausnahme“.

Um den aufgelaufenen Fehler von zehn Tagen zu berichtigen, ließ Papst Gregor die Tage zwischen dem 4. und dem 15. Oktober 1582 einfach ausfallen. Dadurch stimmten Datum und Jahreszeit wieder überein.

Das gregorianische Jahr ist im Mittel nur noch 26 Sekunden länger als das tropische Jahr. Damit dauert es 3320 Jahre, bis wieder eine Abweichung von 1 Tag auftritt. Man wird also irgendwann um das Jahr 4900 wieder einmal einen Tag ausfallen lassen müssen.